ProMosaik e.V. interviewt Wer hat Angst vor Kopftuchmädchen?
Das hat viele Gründe. Einer der Hauptgründe für diese Diskriminierung ist sicherlich, dass es von der Situation der Frauen im Westen ablenkt. Frauen im Westen, die nicht-muslimisch sind, sind selbst immer noch umfassenden Diskriminierungen ausgesetzt. Diese Diskriminierungen betreffen alle Lebensbereiche von Frauen und führen zu Geschlechterungerechtigkeiten in allen Bereichen. Frauen übernehmen immer noch die meisten Aufgaben im Haushalt, sind vornehmlich für die Kindererziehung zuständig, verdienen erheblich weniger als Männer trotz gleicher Qualifikation, und sind in Führungspositionen kaum vertreten. Eine gute deutsche Mutter hat sich immer noch aufopfernd um ihre Familie zu kümmern. Zusätzlich müssen sich Frauen als Folge der Pornografisierung entsprechend männlicher Bedürfnisse verhalten, da sie sonst als prüde gelten und nicht begehrenswert für Männer sind. Die Medien zeigen eine zunehmend eingeschränkte Rollenvorstellung von Frauen, und sexuelle Attraktivität und absolute Verfügbarkeit sind absolut notwendig, um zumindest auf den ersten Blick bewundert zu werden. Das sind alles Punkte, die deutlich machen, dass es mit der Gleichberechtigung in Deutschland für Frauen nicht sehr weit gekommen ist. Der Fokus auf eine Gruppe von Frauen, die angeblich noch weniger Rechte hat, ist hier sehr hilfreich. Anstatt sich mit der wirklichen Situation von Frauen insgesamt zu beschäftigen, beschäftigen sich viele mit der offensichtlich, sichtbar anders aussehenden Frau mit Kopftuch.
Frauen haben sich im Westen rudimentäre Rechte vor vergleichsweise kurzer Zeit erkämpft, wie zum Beispiel das Recht ohne Erlaubnis des Ehemanns zu arbeiten, das erst in den 70ern möglich wurde, und haben Angst vor einem Backlash, auch wenn dieser wenig mit dem Kopftuch zu tun hätte. Allerdings glauben viele Frauen dies. Die Idee ‘Freiheit heißt Nackheit’ wurde von vielen Frauen akzeptiert.
Der Islam bedroht sicherlich auch die Macht der kirchlichen Strukturen in Deutschland und muss auch deshalb bekämpft werden bzw. eine inhaltliche Auseinandersetzung verhindert werden. Die wenigsten Deutschen haben den Koran selbst gelesen und dies wird auch kaum unterstützt und sogar bekämpft (wie geschehen im Zusammenhang der Verteilaktion von Koranübersetzungen der „Wahren Religion“. Wenn der Koran so furchtbar ist, dann wäre ja aber eine Verteilaktion gut gewesen, damit jede/r Kenntnis davon hat, wie furchtbar der Koran ist).
2.- Welche Hauptziele sollten sich die Kopftuchfrauen in Deutschland setzen, um den Kampf gegen ihre eigene Diskriminierung in der deutschen Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen?
Es ist wichtig, in allen gesellschaftlichen Bereichen präsent zu sein, auch wenn es schwer ist, um so ein anderes Bild darstellen zu können. Die Fremde kann jede/r hassen, aber die Kollegin oder nette Nachbarin weniger. Frauen sollten sich also vernetzen um gemeinsam an verschiedenen Orten hier aktiv sein zu können und um sich gegenseitig zu unterstützen. Nur durch vermehrte Präsenz wird eine Veränderung möglich sein und diese Präsenz kann völlig unterschiedlich aussehen. Es kann die Mitgliedschaft in einer Partei sein, im Elternbeirat, in einem Bündnis oder in einem Sportverein. Sich alleine einer oft diskriminierenden Umgebung auszusetzen ist eine zu große Hürde und deshalb ist die vorherige Vernetzung wichtig. Vielleicht sollte auch ein Leitfaden, intelligente Antworten auf dumme Fragen, erstellt werden, um auf vieles vorbereitet zu sein. Manche Verhaltensweisen in deutschen Zusammenhängen sind auch schwierig, aber es muss auch nicht die Teilnahme am Jungesellinnenabschied sein um mehr Präsenz zu zeigen. Es geht hier nicht um „Integration“, fast schon ein Unwort, sondern um Nähe herzustellen. Je ferner und unbekannter mir jemand ist, desto eher kann ich ein FeindInnenbild aufbauen und erhalten. Aus diesem Grund wäre Vernetzung wichtig. Die Fremde kann jede/r hassen, aber die Kollegin oder nette Nachbarin weniger.
Hierdurch ist es auch nichtmuslimischen Frauen möglich den Kampf zu unterstützen, denn viele glauben leider das Konzept der untergeordneten Muslima. Die Unterschiede werden schon oft genug betont von den Medien. In Kooperation mit anderen sind Informationsveranstaltungen gut. Muslimische Frauen sind doppelt diskriminiert: als Frauen und als nicht-deutsche. Andere Frauen sollten in keinem Fall für sie sprechen, aber ohne Vernetzung sind alle Frauen in geschwächter Position.
3.- Denken Sie, dass die Islamfeindlichkeit heute die Stelle des alten Rassismus einnehmen wird? So nach dem Motto: von der Angst vor dem schwarzen Mann gehen wir über auf die Angst vor dem Kopftuchmädchen?
Ja, ich denke im Zusammenhang der zunehmenden Radikalisierung als Folge der Ressourcenverknappung und Klimaveränderung wird dies nicht ausbleiben und ist vielleicht auch schon passiert. Alle Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas haben Erdöl und Gas. Fast alle waren von Kolonialisierung betroffen und von kapitalistischer Ausbeutung, oft auch in Kooperation des Westens mit den Eliten der jeweiligen Länder. Der Islam hat hier eine Gegenkultur gebildet und politische Kämpfe gegen diese Ausbeutung und Verelendung organisieren können. Die Interpretation des Korans mag hier fragwürdig sein, aber der Islam als politische Organisation stellte eine Bedrohung des Westens dar. Eine Machtübernahme von strengeren muslimischen Gruppen könnte den Zugriff auf Ressourcen durch den Westen unmöglich machen. Kriegseinsätze zur Sicherung der Ressourcen durch den Westen müssen allerdings der eigenen Bevölkerung als notwendig verkauft werden. Die Bevölkerung muss ja die Tötung von Millionen von Menschen hinnehmen und auch fordern. Um diesen Zweck zu erfüllen ist es hilfreich, das Konzept vom „Bösen“ zu schaffen und die GegnerInnen zu entmenschlichen. Der Islam wird sozusagen zum „Bösen“ als solches, auch wenn immer beteuert wird, dass es ja nur einige wenige sind, die im Namen des Islam Gräueltaten und Terrorakte verüben. Natürlich werden auch die eigenen Kriegseinsätze als harmlos dargestellt.
4.- Welcher Art von Diskriminierung sind die muslimischen Frauen ausgesetzt? Können Sie hier unseren Leserinnen und Lesern Beispiele nennen?
Arbeitsstellen, die öffentliche Repräsentanz erfordern, sind mittlerweile fast völlig verschlossen. Durch die fehlende Möglichkeit zu arbeiten, sind muslimische Frauen mit Kopftuch gezwungen, ein traditionelles Frauenbild zu leben und verstärken somit wieder Vorurteile. Ein furchtbarer Kreislauf. Die fehlende Präsenz in der Öffentlichkeit führt zur weiteren Stärkung von Vorurteilen, denn muslimischen Frauen bleibt es verwehrt sich als kompetent, selbstbewusst, und freundlich darzustellen, und dies sind alles Eigenschaften, die in Deutschland als wichtig betrachtet werden.
5.- Welche Ziele sollte sich Ihrer Meinung nach der wahre islamische Feminismus heute im Westen stellen?
Der wahre islamische Feminismus sollte zurückkehren zu einer eigenen Interpretation des Islam. Viele muslimische Länder, genauso wie westliche Länder, sind männerdominiert und haben den Koran von ausschließlich männlicher Sicht interpretiert. Frauen in den westlichen Ländern haben die Möglichkeit, durch einen anderen gesellschaftlichen Kontext, eigene Überlegungen und Auslegungen zu thematisieren. Der Koran und die Anwendung gelten für Männer und Frauen genauso-und insbesondere das sollten muslimische Frauen deutlich machen. Es gibt keine Aussagen im Koran, dass Frauen bestimmte Verhaltensweisen haben sollten und Männer andere und vor Allem: Allah ist weder Mann noch Frau.