Auf den Schwingen der Nacht: Die Flucht in den Tod
Als Samir in Zeitlupe sank, hielt er immer noch Samira und seine Tochter Mina umklammert. Das rhythmische Rauschen des Meeres und die verzweifelten Schreie der Ertrinkenden hörte er dumpf wie aus einer anderen Welt. Tiefer Friede erfüllte ihn plötzlich und der minutenlange Sauerstoffmangel machte etwas mit seinem Gehirn. Er sah ein helles Licht durch die Wasserdecke fließen, das sich immer mehr ausbreitete und bald auch ihn erreichte. Ein Licht, das er schon gesehen hatte, als er seinen Vater im Traum traf. Und die Bilder seiner Kindheit, seines ganzen Lebens stiegen nun plötzlich aus den Tiefen seiner Seele auf. Er betrachtete sie, ohne zu werten. Alles war gut, was passiert war. Es hatte so sein müssen. Es gab nichts zu bedauern oder zu bereuen. Die Bilder waren so klar und so nah, und doch waren sie nicht wirklich wichtig. Sie waren Teil eines anderen Lebens. Er schaute auf sie mit einem tiefen Verständnis, aber auch einer gewissen Distanz. Ein letztes Mal noch nahm ihn die Nacht mit dunklen Schwingen auf, und er spürte den leisen, ganz leichten Windhauch, den ihr sanfter Flügelschlag verursachte und sah das unendlich helle Licht, dem sie entgegen flogen. Er lächelte glücklich. Die packende Geschichte einer langen Flucht des somalischen Jungen Samir über mehrere Jahre, durch mehrere Länder wird hier erzählt. Europa ist sein Ziel und er nimmt für seinen Traum jedes Abenteuer in Kauf. Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit.