Interview mit dem Rechtsanwalt der propalästinensischen Aktivistin Samantha Comizzoli

Liebe Leserinnen und Leser, 

 
vorab möchte ich mich bei der Kollegin Antonietta Chiodo für die Führung dieses wertvollen Interviews mit dem Rechtsanwalt der propalästinensischen Aktivistin aus Italien, Samantha Comizzoli, die sich im Moment in israelischer Haft befindet, herzlichst bedanken. Wir hatten Samantha im April interviewt. Hier finden Sie den Link hierzu, um sich ein Bild von dieser mutigen und unermüdlichen Frau zu machen.
 
 
Samantha bekämpft den Zionismus im Namen der Menschenrechte, der Gerechtigkeit und eines Friedens, den es ohne die Gerechtigkeit nicht geben kann.
 
Ich möchte Samantha meine bedingungslose Solidarität aussprechen.
 
Danke!
 
Dr. phil. Milena Rampoldi – ProMosaik e.V.  
 
 
 
 Juni 2015 – Interview mit Rechtsanwalt Luca Bauccio, dem Verteidiger der Aktivistin und Chronistin Samantha Comizzoli.
 
 
 
14. Juni 2015, 21 Uhr: der Verteidiger von Samantha Comizzoli erweist sich als verfügbar und aufmerksam. Seine spontane Ausdrucksweise macht mir sofort bewusst, dass er nicht nur für den Auftrag, den er gerade ausführen muss, Sensibilität zeigte. Diese Sensibilität ist viel mehr auf eine persönliche Motivation zurückzuführen, sich bedingungslos und überall für die Menschenrechte einzusetzen.
 
Antonietta Chiodo: Was verbindet Sie mit Samantha Comizzoli und der Palästinafrage?
 
Avv. Luca Bauccio: Für mich ist das eine extrem komplexe und herausfordernde Frage, da ich der gesetzliche Vertreter von Samantha bin. Außerdem lässt mich eine solche Frage nicht kalt. Samantha lässt niemanden kalt, weil sie ein mutiges Beispiel des romantischen und abenteuerlichen Kampfes ist, der das einzige Ziel verfolgt, für alle die Freiheit zu erlangen. Die Menschenrechte der Schwächsten sind von vordringlichster Priorität.
Was ich mit ihr gemeinsam habe, ist ihr Einsatz für die Unterdrückten und ihre Rechte. Ich unterstütze sie auch in ihrer persönlichen Erfahrung als Ausländerin in einem fremden Land ohne Aufenthaltsgenehmigung und somit ohne die Möglichkeit, ein freies Leben zu führen.
 
 
Antonietta  Chiodo: Das Visum von Samantha ist schon seit Monaten abgelaufen. Warum wurde sie gerade jetzt von der Polizei festgenommen?
 
Avv. Luca Bauccio: Die Begründung dieser Wartezeit ist mir ein Rätsel. Das sind genau kalkulierte Entscheidungen. Nichts wird dem Zufall überlassen. Die Beschlüsse werden von den Behörden gefasst. Samantha bekämpft einen künstlerischen historischen Prozess und bekämpft mit all ihren Kräften die Macht der Unterdrückung des palästinensischen Volkes.
Es ist der falsche Augenblick, weil sie gegen ein Gesetz ankämpft, das für Ungerechtigkeit steht und allen Rechten der Vereinten Nationen widerspricht. Dieses Gesetz raubt und zerstört seit Jahrzehnten ungestraft. Es ist ein falsches Gesetz, weil es für die Ungerechtigkeit steht. Aber dank dieser wahnsinnigen Träumer, in die wir uns versetzen und von denen wir diese Realität kennenlernen und denen wir mit unserem Herzen folgen, wissen wir von diesem ungerechten Gesetz.
 
Antonietta Chiodo: Samantha wurden nicht empfehlenswerte Freundschaften vorgeworfen. Wie möchten Sie sich dazu äußern?
 
Avvocato Luca Bauccio: Dazu möchte ich nichts sagen.
 
 
Antonietta Chiodo: Samantha befindet sich in Einzelhaft, und dies im Gegensatz zu den meisten ausländischen Häftlingen in Israel. Welche Begründung wurde hier als Erklärung angeführt?
 
Avv. Luca Bauccio: Die Entscheidung wurde nicht begründet. Aber es ist offensichtlich, dass Samantha für Israel eine Gegnerin erster Klasse ist. Dies will heißen, dass sie Widerstand gegen den israelischen Staat leistet. Deswegen ist sie für das Regime unbequem, gerade auch wegen ihres sehr starken Charakters und ihrer überschwänglichen Energie.
 
Antonietta Chiodo: Glauben Sie, dass sie bald wieder in die Heimat zurück kann? An welchen Zeitrahmen denken Sie da?
 
Avv. Luca Bauccio: Den Zeitrahmen kann ich Ihnen nicht sagen. Ich glaube, dass man diesen derzeitig nicht festlegen kann. Ich kann nur sagen, dass es eine Verhandlung mit Verteidigungsrecht gibt, wie es der israelische Staat vorschreibt. Vor Ort wird Samantha von mir und von einem palästinensischen Anwalt vertreten. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht als Opfer fühlt. Sie besteht darauf, zu erklären, dass die wahren Opfer in diesem ganzen System die Palästinenser sind. Vor allem sind es die Kinder, die sich in israelischer Haft befinden und für deren Befreiung sie sich einsetzt. Samantha und ich möchten betonen, dass wir die einzige Absicht verfolgen, die Aufmerksamkeit nicht von den wahren Opfern abzulenken, die diese Unterdrückung erfahren und seit sechzig Jahren in der Ungerechtigkeit leben.
 
 Antonietta Chiodo: Samantha ist besorgt. Was denken Sie über die Möglichkeit eventueller negativer Folgen auf ihr Umfeld und ihre Mitarbeiter?
 
Avv. Luca Bauccio: Wir wissen es nicht. Mit Sicherheit kann die Videokamera in manchen Situationen auch eine Bremse darstellen, während sie zu diesem Zeitpunkt hingegen wohl eher ein Risiko darstellt.
Der Film wird weiterhin gezeigt. Er wird nicht aufgehalten. Wir werden weiterhin über die Ungerechtigkeit, die seit Jahren in Palästina an der Tagesordnung steht, berichten.
Es stimmt zwar, dass es auch Palästinenser gibt, die seit sechzig Jahren die Ereignisse dokumentieren. Daher wird die Abwesenheit von Samantha in diesem Zeitraum die wahre Information sicher nicht bremsen. Samanthas einziger Wunsch ist es, nicht nachzugeben und weiterhin zu berichten.
Wir bemühen uns, Samantha vor dem Rufmord zu schützen und sie vor den Schakalen zu verteidigen, die alles tun, um sie in den Dreck zu ziehen. Es gibt Fotomontagen und legendenhaftes Geschwätze über sie, die nichts mit ihrer Person und ihrem wahren Wesen zu tun haben.
Wir haben ein Foto erhalten, das schon voriges Jahr im Internet zirkulierte. Darauf war Samantha vor einem Brotofen abgebildet. Sie sah mit einem Siegeszeichen ins Objektiv. Aufgrund dieses Bildes wurde sie wegen Antisemitismus verklagt. Wir kämpfen seit langem gegen all dies an. 
 Antonietta Chiodo: Wie verhält sich die italienische Regierung? Und wie stehen ihre Vertreter zum Ereignis?
 
Avv. Luca Bauccio: Es gibt keinen Standpunkt, da sich Samantha objektiv gesehen ohne Visum in einem fremden Land befand. Seien wir mal ehrlich: Italien ist ein Freund Israels und da Samantha auf der Seite der Palästinenser steht, ist sie nicht in der Lage, diese Presse zu bewegen. Sie steht alleine da. Und wir müssen uns wegen dieser versteinerten und schweigsamen öffentlichen Meinung ohne Kultur und ohne Menschlichkeit nur schämen.
Was hier schmerzt, ist, dass es sich um eine Person handelt, die sich dazu entschlossen hat, auf ihr Leben zu verzichten, um die Menschenrechte derer zu erkämpfen, denen sie vorenthalten wurden. Es ist traurig, dass sich keine politische Partei und keine Faktion gegen eine Besatzung wehren, die die internationalen Gesetze mit Füßen tritt.
Es ist unsere Aufgabe, den Ruf von Samantha Comizzoli, ihre Arbeit und ihr bisheriges Werk zu schützen, damit die Welt sieht, was Sache ist. Wir sind dazu verpflichtet, jederzeit und pausenlos die Ereignisse in Palästina zu verbreiten und zu dokumentieren.
 
 
Antonietta Chiodo
Redaktion ProMosaik e.V. Italien 
 
 
 

 

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